Gründung des Betriebes „Emil Klar, Blechnerei“

Der Gründer der »Blechnerei«, Großvater Emil Oskar Klar, geboren am 4. April .1844 zu Freiburg i. Br., entstammte einer Handwerkerfamilie. Sein Vater, Fidel Klar, war von Beruf »Nadler« und fertigte nach der Überlieferung noch Nähnadeln und dergleichen. Etwa in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts musste schon Fidel Klar sich umstellen: Die Fertigung von Geldbeuteln aus kleinen Drahtringen war in jener Epoche anscheinend sehr gefragt und wohl lukrativer als die Herstellung von Nadeln. Firmenschild und Werkstatteinrichtung dieses Nadlers waren noch bis zum Luftangriff auf Freiburg im November 1944 im Familienbesitz.
Emil Klar, ein Handwerksmeister von kleiner, gedrungener Gestalt, aufgeschlossen allem Neuen gegenüber, verspürte in seinen jungen Jahren den Drang zu den Waffen und wollte 1864 als Freiwilliger zum Militär. Bei der ersten Benützung eines Gewehres stellte man jedoch fest, dass er das falsche Auge zudrückte. Wegen nahezu erblindetem rechtem Auge konnte sein Wunschtraum nicht in Erfüllung gehen.
So war der nächste Schritt die Wanderschaft, jener altbewährte Brauch im jungen Handwerkerleben, der dem Junggesellen den Weg in die Welt und in eine erweiterte berufliche Praxis erschloss. Deutschland, die Schweiz und zuletzt Frankreich waten die Länder, in denen Emil Klar seine Erfahrungen sammelte.

Paris war wohl der Höhe- und Wendepunkt seiner Wanderjahre. Für die Blechnernachwelt war in der Werkstatt, unter Glas verschlossen, ein säuberlich gepflegter Satz Polierhämmer vorzufinden. Diese für einen Blechtier im letzten Viertel des neunzehnten Jahrhunderts nahezu unentbehrlichen Treibhämmer verschiedenster Art, etwa 35 an der Zahl, fand man in dieser Vielfalt nicht gleich wieder. Emil Klar hat sich in Paris diese Werkzeuge erstanden. Sie legten Zeugnis vom Arbeitswillen und Weitblick dieses Blechnergesellen ab. Mit Ehrfurcht und Achtung wurde jeder interessierte Werkstattbesucher gern auf diese Erinnerungsstücke hingewiesen.

Im Jahre 1873 schloss Emil Klar mit Maria Bissier, einem Mädchen aus der französischen Schweiz, Departement Savoie, die Ehe. Aus ihr gingen sechs Kinder: zwei Knaben und vier Mädchen, hervor.
Am 1. März des Jahres .870 (lt. Urkunde am 31. Januar) gründete. Emil Klar

seinen eigenen Betrieb in Freiburg und damit den Grund für eine bis heute hundertjährige berufliche Entwicklung in der Familie Klar. Aus kleinsten Anfängen heraus schaffte es der tüchtige Handwerker, schon im Jahre 1880 das Haus Eisenbahnstraße 19, »Haus zum Winkelrnaß «, zu erwerben. Der Start war allerdings schlecht. Bereits nach zwei Jahren gab ein wohl von Ungeziefer (Ratten) unterminierter Giebel zwischen Haus Nr.21 (Metzgerei Braun) und Haus Nr. 19 nach und musste ne aufgerichtet werden. Dieses Ereignis war erschütternd, was daraus hervorgeht, dass von diesem Unglück innerhalb der Familie immer wieder die Rede war.
Beim Abbruch des Hauses im Jahre 1968 war deutlich zu sehen, wie in den achtziger Jahren dieser Schaden behoben wurde.
Das Haus Eisenbahnstraße 19 hatte im Erdgeschoss ein Ladengeschäft (später Korb- und Kinderwagengeschäft Blank). Dies bot sich für den Verkauf von Haushalt- und Küchengeräten an, welche bis in die neunziger Jahre noch von Blechnern handwerklich gefertigt wurden. Dabei sei erinnert an die Weißblechtrichter, die Wasserschöpfer und Wasserbecher, an die Messgefäße für den Milchmann, 1/16 bis 2 Liter fassend, an Mehlschaufeln, Salatsiebe, Schüsseln, Suppenschöpfer, Kehrschaufeln, Stalllaternen, Kerzenleuchter für Droschken, Gießkannen, Waschkessel, Botanisierbüchsen, Backförmchen und Kuchenbleche, Melkeimer in allen Größen und Ausführungsarten, Blechkassetten, Ladenkassen, Dokumentenbehälter und so weiter. Diese Gegenstände waren dazumal sehr gefragt, begehrt und benötigt und wurden hauptsächlich in den langen Wintern – bei zwölf- bis vierzehnstündiger Arbeitszeit – hergestellt.

Im Frühjahr stand dann Großmutter Maria Klar auf dem »Markt« am Rotteckplatz und bemühte sich, die Waren an den Mann zu bringen.
Eine Industrie, welche sich mit der Fertigung von Öl und Petroleumlampen nebst Zubehör befasste, entstand ebenfalls lange vor der Jahrhundertwende. Vielerorts lösten diese Beleuchtungsarten die Kerze ab. So ergab sich von selbst, Öl- und Petroleumlampen als weiteren Artikel aufzunehmen. Lampengläser, Zylinder für Öl- und Petroleumlampen, Dochte aller Art und das Petroleum selbst waren alsdann auch bei Klar zu kaufen. Emil Klar fühlte sich sehr geehrt, als er dem damaligen badischen Großherzog Friedrich 1. die Petroleumlampe im Palais in der Salzstraße reparieren durfte.
Im, Sommer gehörten Dachrinnen und Regenrohre an den Häusern zum willkommenen Erwerb. Anfänglich, etwa 1860-1885, fertigte man diese Rohre aus sogenanntem Mattblech (verzinntes Eisenblech). Bei der seinerzeit erhältlichen Blechtafelgröße war es jedoch nur möglich Rohr- und Rinnenstücke von ca. 25 cm Länge herzustellen. Sie wurden zu den erforderlichen Längen zusammengesetzt und erwiesen sich als sehr gutes Baumaterial. (Noch im Jahre 1967 baute der Schreiber dieser Zeilen ein solche Regenrohr im Kloster St. Trudpert in Untermünstertal ab. Es war noch unversehrt und hatte gut und gerne 75 bis 80 Jahre seinen Dienst getan.)
Späterhin wurde dieses Mattblech vom verbleiten Eisenblech und vom edleren Zinkblech abgelöst. Neue Materialien‘ riefen nach neuen Arbeitsmethoden.
Mit dem verbleiten Eisenblech war die Geburtsstunde des Metalldaches gekommen. Die sogenannte Ornamentenblechnerei fasste Fuß. Verzierungen an Dächern, Dachgauben, Erkern boten neue Arbeitsgebiete.
Darüber hinaus gesellte sich zum Blechnerberuf das Installateurhandwerk. Mit dem Ausbau der Brunnen in unserer Stadt und der Verlegung neuer Wasserleitungen, etwa um die Jahre 1872-1876, begann die Bewässerung der Gebäude. Wenn auch nur ein Wasserhahn in Haus oder Hof den Bewohnern das Wasserholen an öffentlichen Brunnen ersparte, galt diese Verbesserung als etwas Umwälzendes, für den Blechner aber war sie eine willkommene neue Erwerbsquelle. Anderes kam hinzu. Mit steigender Wasserversorgung entstand das Bedürfnis einer Sammelentwässerung, die Trockenklosetts mit den früheren Abortgruben wichen modernen Entwässerungssystemen. Anstelle von Tonrohren verwendete man seit den neunziger Jahren Gussrohre. Da anfänglich von der Industrie kein Sortiment von Formstücken zur Verfügung gestellt werden konnte, verfuhr man etwa so: Im Bau nahm man Maß von den Bogen und
Abzweigungen, die erforderlich waren. Mit Hilfe eines Modellschreiners wurden dann die Formen gefertigt. In der ehemaligen Faulerschen Metallgießerei »Im Grün« ließ man sich danach diese Verbindungsstücke für ,die Abwasserleitungen nach den Holzformen gießen.
Für die damalige Zeit und den biederen Blechner war all das wohl eine Umwälzung, die an spätere epochemachende Erfindungen, wie etwa den elektrischen Strom, das Radio oder ähnliches, erinnern mag. Doch es war nicht alles. Zur Wasser: und Abwasserinstallation trat in Ablösung der Öl- und Petroleumlampe die Gaslichtinstallation.
Auch die hierfür sich ergebenden Arbeiten fielen in das Aufgabengebiet eines modernen und einer neuen Situation aufgeschlossenen Blechners ,und Installateurs.
Emil Klar erlebte die »gute alte Zeit« noch mit ihrer ganzen Romantik, wurde aber gezwungen, sich in die Neuzeit einzudenken, was ihm bestimmt nicht immer leicht fiel. Auch das, Schreiben von Jahresrechnungen« dürfte um die ,Jahrhundertwende ein Ende genommen haben.
Aus dem Privatleben. Emil Klars war wohl das markanteste, dass er etwa 25 Jahre lang keine Nacht länger als zwei Stunden geschlafen haben soll. Die restliche Nachtzeit verbrachte er mit stundenlangem Lesen bei Kerzen- oder Petroleumlicht. Diesem Leseinteresse Emil Klars verdankten die Nachkommen einen Büchereibestand, den man gut und gerne als kleine Bibliothek ansprechen konnte. Auch diese fiel dem schrecklichen Geschehen in Freiburg vom November 1944 zum Opfer.
Dank seinem handwerklichen Können und seinem überdurchschnittlichen Wissen betätigte sich Emil Klar als Bürger seiner Stadt in handwerksorganisatorischer und gemeindepolitischer Richtung. So gehörte er als »Liberaler« einmal dem Bürgerausschuss an.
In seiner Berufsorganisation war er hochgeachtet und geschätzt. Vom Ende des vorigen Jahrhunderts bis 1907 war Emil Klar Obermeister der »Freien Innung der Blechner und Installateure Freiburg i. Br.« Er war auch Mitgründer des Badischen Berufsverbandes, dessen Vorsitzender er war und zu dessen Ehrenmitglied er im Jahre 1911 ernannt wurde.
Neben dem für jene Jahre ausgefüllten Tagewerk fand man aber auch Zeit zur Muße. Schmetterlingssammler – die man heute nicht mehr kennt – war Großvater Klar aus Leidenschaft. Wenn die hohe Zeit anbrach, legte er dieses Hobbys wegen auch einmal den Lötkolben beiseite. Er wusste den Tag, ja beinahe die Stunde, an welcher Stelle in den Vogesen oder am Kaiserstuhl ein seltener Schmetterling aus seiner Larve schlüpfte oder eine Raupe sich entpuppte. Hurtig wurde das Fahrrad bestiegen, in dessen Rahmen ein Blechbehälter eingebaut war, der alle Utensilien enthielt, die man zur kunstgerechten Konservierung solcher Tiere benötigte: Korkplatten, silberne Stecknadeln, Alkohol zur Sterilisation bis zum Schmetterlingsnetz.
Eine stattliche Sammlung von etwa zehn Schmetterlingstafeln war das Ergebnis jahrelangen Suchens.
Große, selbstgefertigte Vogelkäfige, die zum Nachlass gehörten, legten Zeugnis dafür ab, dass Emil Klar Vogelzüchter war. Nicht minder liebte er seine Tauben. Zwei solcher Tiere in Zinkblech schmückten das Dach des Anwesens Eisenbahnstraße19 bis ins Jahr 1968.
Dem Radsport vor allem hatte sich dieser vielseitige Mann verschrieben. So war er Mitgründer des in Freiburg sehr geachteten Radfahrersportvereins »Stern«. Mit nahezu 70 Jahren legte der passionierte Radsportler die Strecke Freiburg-Luzern noch in einem Tag zurück.
Nach einem erfüllten Leben starb dieser im wahrsten Sinne des Wortes »ehrbare« Handwerker am 20.Januar 1914 im Hause seines Sohnes Adolf in der Breisacher Straße.